

Nadine Trottmann
Von der Theorie zur praktischen Interessensvertretung
Nadine Trottmann begann im Sommer 2017 ihr Studium der Agrarwissenschaften an der ETH Zürich ohne grosse Vorkenntnisse und ohne eine wirkliche Vorstellung davon zu haben, was die Land- und Ernährungswirtschaft alles umfasst. Dass dies die richtige Entscheidung war, bestätigte sich schnell und die Studienwahl wurde auch im eher trockenen Basisjahr nie in Frage gestellt. Vor allem die thematische Breite und Vielfalt des Fachgebietes und die Komplexität der Zusammenhänge machten die Faszination aus. Nach Abschluss des Bachelorstudiums begann sie sofort mit dem Masterstudium in der Vertiefung Agrarökonomie. Da der normale Universitätsbetrieb seit Beginn des Masterstudiums durch die Corona-Pandemie zum Erliegen gekommen war, stellte das Masterpraktikum eine willkommene Abwechslung dar. Dieses führte sie zu ihrem heutigen Arbeitgeber, dem Schweizer Bauernverband (SBV). Eine Organisation, die Nadine Trottmann bis dahin nur aus den Medien kannte. Von der Theorie also in die Interessensvertretung der praktizierenden Landwirtschaft.
Viel Verantwortung schon beim Berufseinstieg
Im Geschäftsbereich Internationales konnte sie sich vertieft mit Fragen des Grenzschutzes, der Bedeutung von Freihandelsabkommen für die Schweizer Landwirtschaft und dem Thema Nachhaltigkeit im internationalen Agrarhandel auseinandersetzen und gleichzeitig wichtige Kontakte in der Branche knüpfen. Nach dem Abschluss des Studiums ergab sich die Möglichkeit, eine Festanstellung beim SBV anzutreten. Sie wurde Fachverantwortliche für die Themen Digitalisierung, landwirtschaftliche Einkommen und Agrarforschung und übernahm die Leitung der Schweizer Junglandwirtekommission. Für jemanden mit einem eher theoretischen Hintergrund eine sehr spannende und abwechslungsreiche Aufgabe. Einerseits ist die im Studium erlernte wissenschaftliche Denkweise gefragt, gleichzeitig ist sie im Austausch mit den Junglandwirtinnen und Junglandwirten nah am Puls der Praxis. Um sich in diesem Umfeld zurechtzufinden, braucht es beim Berufseinstieg seine Zeit und einige Herausforderungen wurden gemeistert. Das Thema Digitalisierung der Landwirtschaft wurde beispielsweise im Studium nur oberflächlich behandelt und plötzlich war sie als Fachverantwortliche dafür zuständig, Empfehlungen zum Umgang mit Daten abzugeben, Stellungnahmen zu verfassen und die Position des Verbandes gegenüber der Presse zu vertreten. Doch gerade diese Herausforderung macht den Reiz ihrer täglichen Arbeit aus. Schliesslich ist das Thema hochaktuell und es gab wohl noch nie eine spannendere Zeit, um in diesem Bereich tätig zu sein.
In ihrer Freizeit ist Nadine gerne sportlich aktiv. Seit ihrer Kindheit spielt sie im Verein Handball und war während ihres Studiums als Juniorentrainerin tätig. Ausserdem steht sie im Winter gerne auf Skiern und im Sommer fährt sie Velo. Seit Mitte 2022 engagiert sie sich als Nachfolgerin von Martin Brugger in der Kommission des SVIAL und bringt wertvolle Ideen ein. Zudem ist sie regelmässig an Veranstaltungen anzutreffen, wo sie dank ihrem erfolgreichen Berufseinstieg vor nicht allzu langer Zeit eine beliebte Gesprächspartnerin für die Studierenden ist.
Wo siehst du die grössten Herausforderungen des Schweizer Land- und Ernährungssystems?
Der geforderte Wandel von einer isolierten Agrarpolitik hin zu einer umfassenden Ernährungspolitik ist eine enorme Herausforderung. Es ist mittlerweile wohl allen bewusst, dass unsere Ziele nicht mit einseitigen Massnahmen auf Stufe Landwirtschaft erreicht werden können. Die Transformation kann nur gelingen, wenn alle mitziehen. In der Theorie tönt das einleuchtend, in der Praxis hat man aber noch wenig konkrete Erfahrungen damit, wie man die nachgelagerten Stufen bewegen kann. Die Gretchenfrage bleibt, wie man das letzte und entscheidende Glied in dieser Kette mitnehmen kann: die Konsumierenden. Auch die in der EU hoch gehandelte „Farm to Fork Strategie“ ist mittlerweile grösstenteils „Farm“ und nur wenig „Fork“. Daher würde ich die Kohärenz der politischen Bestrebungen als grösste Herausforderung nennen. Die Richtung stimmt, doch wir stehen noch ganz am Anfang des Prozesses.
Du bist in der Kommission des SVIAL mit dabei. Was hat dich dazu bewogen, dich für dieses Netzwerk zu engagieren?
Schon während meines Studiums habe ich gerne SVIAL-Veranstaltungen besucht. Insbesondere die Berufsvorträge waren ein interessantes Fenster in die Berufswelt. Im eher theorielastigen ETH-Studium hat man oft wenig Berührungspunkte mit der Welt ausserhalb des akademischen Umfeldes. Diese studentische «Bubble» auch ab und zu verlassen zu können, fand ich schon damals wichtig und die Kontakte, die man durch solche Veranstaltungen knüpfen kann, erleichtern einem den Einstieg später enorm. Als ich nach meinem Stellenantritt angefragt wurde, in der Kommission als Scharnier zum SBV und der landwirtschaftlichen Interessensvertretung zu fungieren, musste ich nicht lange überlegen. Was mir am Agrarwissenschaftsstudium so gefallen hat, ist, dass es dieses Konkurrenzdenken und «Ellbögeln» wie in anderen Studiengängen nicht gibt. Man ist eine grosse Familie und alle unterstützen einander. Diese wohlwollende Stimmung spürt man auch im SVIAL, was die Zusammenarbeit so angenehm macht.
Was kann der SVIAL zur Entwicklung der Agro-Food-Branche beitragen?
Die Wichtigkeit von Dialog und Austausch kann angesichts der grossen Herausforderungen und der zunehmend verhärteten Fronten gar nicht hoch genug bewertet werden. Der SVIAL kann in diesem Spannungsfeld als neutrale Plattform die nötigen Brücken bauen und verschiedene Kreise zusammenzubringen. Die breite Palette an Aktivitäten bietet den Mitgliedern die Möglichkeit, in andere Bereiche einzutauchen und über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Das ist nicht nur spannend, sondern fördert auch das gemeinsame Verständnis. Sei es zwischen Agrar- und Lebensmittlern, Uni und FH oder Praxis und Wissenschaft. Auch als Bindeglied zwischen Studierenden und Berufstätigen kommt dem SVIAL eine enorm wichtige Rolle zu. Es gibt kaum eine andere Organisation, die den Kontakt auf beide Seiten pflegt und diesen Austausch herstellen kann. Von einer guten Einbindung junger Berufsleute profitieren schlussendlich beide Seiten. In der Agrarbranche sind Fachkräfte momentan sehr gesucht und werden das auch in Zukunft sein. Nach dem Studium ist man fachlich top ausgebildet. Das allein reicht aber häufig nicht. Um weiterzukommen, braucht es ein gewisses Verständnis der Branche, um für sein Anliegen zur richtigen Zeit die richtigen Ansprechpartner zu finden. Ein Netzwerk aufzubauen, braucht seine Zeit und der SVIAL bietet einem wertvolle Kontakte quasi auf dem Silbertablett an.
Was wünscht du dir vom SVIAL?
Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass der SVIAL in der Branche noch präsenter wird und als gewichtiger Partner wahrgenommen wird. Eine vergleichbare Organisation, die so eine breite Vernetzung bieten kann, gibt es sonst kaum. Seit ich in der Kommission mitwirken darf, ist mir erst bewusst geworden, wie stark man sich hier bemüht, für alle Mitglieder spannende Angebote bereitzustellen. In der Flut an sonstigen Veranstaltungen und Angeboten, geht das leider manchmal fast etwas unter. Ausserdem ist es für jeden Berufsverband entscheidend, einen engen Kontakt zu den Hochschulen und den Studierenden zu pflegen. Die jetzige Geschäftsstelle macht hier einen hervorragenden Job und ich bin mir sicher, dass sich diese Bemühungen in Zukunft auszahlen werden.