Richard Eberlin
Ein Herz für die ländliche Bevölkerung weltweit
Nach vielen Jahren in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit entschloss sich Richard Eberlin 2014, in Galizien seine eigene Beratungsfirma mit Fokus auf ländliche und landwirtschaftliche Entwicklung zu gründen. Im folgenden Bericht erzählt der Agrarwissenschaftler, weshalb er sich für eine Karriere
im Ausland entschieden hat.
Fernweh seit jungen Jahren
Als kleiner Junge wollte ich immer mit meinem Schulfreund die Reisen von Phileas Fogg nachahmen – in «80 Tagen um die Welt», doch daraus ist nie etwas geworden, weder um die Welt noch mit meinem Freund (unsere Wege haben sich während des Gymis getrennt). Doch das Fernweh und der Wunsch, fremde Welten zu erkunden, ist mir geblieben. Dies war einer der Gründe, dass ich Agronomie an der ETH studierte und mich auf Agrarwirtschaft spezialisierte. Während des Studiums habe ich begonnen, mich für die Problematik der Entwicklungsländer zu interessieren und unter anderem war ich stark in der Kommission für Entwicklungsfragen (KfE) des VSETH engagiert.
Seitdem bin ich über 30 Jahre in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit tätig und habe mich vor allem mit Themen im Zusammenhang mit landwirtschaftlicher und ländlicher Entwicklung und Landbesitz/Landrechtsfragen beschäftigt.
Seit 30 Jahren ein Weltenbummler
Während meiner Karriere war ich in verschiedenen Regionen der Welt tätig, angefangen Ende der 1980er Jahre als «farming systems economist» für die FAO in Mozambique, danach drei Jahre für die INTERCOOPERATION in Pakistan, unterbrochen von meiner Dissertation von 1993 bis 1998 am Institut für Agrarwirtschaft der ETH unter Prof. P. Rieder und Prof. R. Kappel (NADEL). Die Dissertation war ebenfalls einem Thema der Entwicklungszusammenarbeit gewidmet; den Auswirkungen der Weltbank-Strukturanpassungsprogramme auf die Landwirtschaft Nicaraguas.
Seit 1999 war ich für das Regionalbüro der FAO für Europa (Rom) als «policy officer» für landwirtschaftliche und rurale Entwicklungspolitik in den Transformationsländern Mittel- und Osteuropas verantwortlich und seit 2007 im Regionalbüro für Europa und Zentralasien (Budapest) als «land tenure and rural development officer» zusätzlich für Fragen zu Landbesitzverhältnisse in den Transformationsländern Mittel- und Osteuropas sowie Zentralasiens tätig.
Während dieser Zeit war ich an unzähligen Projekten und Aktivitäten im Zusammenhang mit landwirtschaftlicher und ländlicher Entwicklungspolitik und Landbesitz/Rechtsfragen beteiligt, beriet Regierungen und unterstützte die Ausarbeitung von Strategien und Konzepten für die Verbesserung von ruraler Entwicklung und Landbesitz/Landrechtssystemen. Ein wichtiger Teil der Arbeit unter dem Landbesitzthema war den «Voluntary Guidelines on the Governance of Tenure of Land, Fisheries and Forestry in the context of National Food Security» (VGGT) gewidmet.
Mein berufliches Interesse hat sich während diesen Jahren auf die Verbesserung der Lebensbedingungen von Landbewohnern durch die Schaffung und Umsetzung von Strategien für nachhaltige rurale Entwicklung, Landnutzung und Landbewirtschaftung konzentriert. Ein wichtiger Teil dieser Arbeit war auch die Ausarbeitung von Analysen der agrarwirtschaftlichen und ländlichen Entwicklungspolitik und die Entwicklung entsprechender Empfehlungen zu deren Verbesserung.
Schritt in die Selbstständigkeit
Seit Ende 2014 bin ich als selbstständiger Berater auf dem Gebiet der ländlichen Entwicklung und Landbesitz/Landrechtsfragen in der gleichen Region tätig (FAO), unterstütze aber auch die Agentur für rurale Entwicklung (AGADER) der Regierung der autonomen Region Galiziens (Xunta de Galicia) in Spanien in der gleichen Fragestellung.
Als konkretes Beispiel meiner gegenwärtigen Arbeit möchte ich die Zusammenarbeit mit der «Agencia de Desarrollo Rural der Xunta de Galicia – AGADER» (Ländliche Entwicklungsagentur der autonomen Regierung von Galicien, Spanien) erwähnen. Es besteht aus der Entwicklung eines Projekts, das die nachhaltige rurale Entwicklung und die Umsetzung der SDGs unterstützt mit dem Ziel, Abwanderung aus dem ländlichen Raum zu vermindern. Der ursprüngliche Auftrag bezog sich auf die Frage, wie der (praktisch nicht-existierende) rurale Bodenmarkt gefördert werden kann. Daraufhin haben meine Partnerin und ich vorgeschlagen, das Thema der Mobilität des Bodens im ruralen Raum (Bodenmarkt) als komplexes Thema zu behandeln und mithilfe von Unterthemen zu analysieren und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Als erstes und naheliegendes sticht dabei die Verbindung des Bodens als physisches und juristisches Element mit der Landwirtschaft und zugehörigen Tätigkeiten hervor, wo zum Beispiel die Verarbeitung lokaler Produkte durch ansässige KMUs, privaten Initiativen (z.B. Genossenschaften, Produktionsgemeinschaften, etc.) und deren Zusammenarbeit mit großen Unternehmen zur Erhöhung des Mehrwertes im lokalen ruralen Raum beitragen.
Gleichzeitig wird die Bedeutung der Frau im ruralen Raum für die wirtschaftliche Entwicklung und unternehmerische Initiative angesprochen. Parallel dazu wird der Stellenwert des Handels mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen und lokalem/traditionellem Handwerk hervorgehoben.
Letztlich wird die Wichtigkeit des Tourismus als Motor für die regionale und rurale Entwicklung betont, ohne den die obengenannten Sektoren keinen (oder geringeren) Absatz und wirtschaftliche und soziale Entfaltungsmöglichkeiten hätten. Der Tourismus hilft, die ländlichen Gebiete sichtbar zu machen und Unterstützung zu mobilisieren, um neue und zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen und eröffnet mehr Möglichkeiten für die Gleichstellung und Eingliederung von gefährdeten Gruppen und Menschen in ruralen Gebieten, die unter anderen Umständen zur Marginalisierung verurteilt wären.
Zusammenarbeit über alle Grenzen hinweg
Als ein anderes Beispiel meiner Arbeit möchte ich meine Zeit in den Balkanländern erwähnen. Als Teil meiner Aufgaben im FAO Regionalbüro für Europa und Zentralasien unterstützte ich eine lokale zwischenstaatliche Organisation (SWG – Regional Rural Development Standing Working Group in South Eastern Europe), die von den Regierungen aller Balkanländer getragen wird. Ich dachte, es wäre viel schwieriger und würde viel mehr Mühe kosten, zu erreichen, dass diese Menschen wieder zusammenarbeiten oder zumindest an denselben Veranstaltungen teilnehmen. Aber sie haben mir beigebracht, wie die Politik auf Gipfeln schwebt, aber die Menschen in der Realität leben und agieren. Es gab viele Treffen und Workshops. Weder die Serben noch die Kosovaren oder Bosnier weigerten sich, zusammenzusitzen und Kooperationspunkte für eine nachhaltige ländliche und regionale Entwicklung zu suchen. Am Abend setzten sie sich zum Essen zusammen und ohne Unterschied hielten sie sich an den Händen und beendeten den Tag tanzend, buchstäblich als Zeichen des Verlangens, die Gegenwart zu leben und die Vergangenheit zu vergessen. Und ich war ein Teil von ihnen.
Daraus habe ich gelernt, dass politisch heikle Themen keinen Einfluss auf die Arbeit haben müssen, wenn die Bemühungen auf ein gemeinsames Ziel fokussieren und die zwischenmenschlichen Beziehungen dieses mittragen.
Richard Eberlin (Mitte) zu Beginn der 1990er in Pakistan.