Zukunft des Schweizer Obstbaus: Tradition trifft Innovation

Der Obstbau ist in vielen Regionen der Schweiz kulturell und wirtschaftlich tief verwurzelt. Wie viele andere Bereiche der Landwirtschaft steht er vor wachsenden Herausforderungen. Der Klimawandel macht sich immer stärker bemerkbar und der Druck, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren, nimmt stetig zu. In unserem Workshop am Food Day@ETH des World Food System Centers der ETH Zürich beleuchteten und diskutierten wir mit führenden Expert:innen aus Wissenschaft, Forschung und Praxis die drängenden Fragen aus unterschiedlichen Perspektiven. Mit dabei waren auch 5 Produzenten, was den Austausch sehr interessant machte.

Zum Einstieg gab uns Richard Hollenstein, Leiter der Fachstelle Obstbau des Kantons St. Gallen, einen Überblick über die Herausforderungen in der Praxis sowie über die Entwicklung der Anbausysteme und der Sortenwahl in den letzten Jahrzenten. Mit seiner 42-jährigen Erfahrung im Obstbau hält er den Wunsch nach einem vollständigen Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz für unrealistisch. Um die Anbaurisiken zu minimieren und effektive Lösungsansätze zu entwickeln, empfiehlt er eine weiterhin enge Zusammenarbeit zwischen Produktion, Beratung und praxisnaher Forschung.

Andreas Naef, Forschungsgruppenleiter Extension Obstbau bei Agroscope, wies im anschliessenden Referat auf das Prinzip des integrierten Pflanzenschutzes für eine wirksame Bekämpfung hin und zeigte anhand verschiedener Forschungsbeispiele auch die Grenzen der biologischen Bekämpfungsmethoden auf. Die hohen Anforderungen an die Qualität der Früchte, die lange Lebensdauer der Kulturen und der Verlust der Zulassung chemischer Mittel stellen seiner Meinung nach grosse Herausforderungen für Forschung und Praxis dar. Hinzu kommt, dass nachhaltiger Pflanzenschutz auch im Obstbau mit Mehrkosten verbunden ist, die den Produzent:innen abgegolten werden müssen.

Zielkonflikte gemeinsam lösen

Robert Finger, Professor für Agrarökonomie und Agrarpolitik an der ETH Zürich, beleuchtete die Nachhaltigkeit im Obstbau aus agrarökonomischer und agrarpolitischer Sicht. Er unterstrich die volkswirtschaftliche Bedeutung des Obstbaus, der 16,6% zum Bruttowert der gesamten pflanzlichen Produktion der Schweizer Landwirtschaft beiträgt. Gleichzeitig beanspruche der Obstbau 13,9% des Pflanzenschutzmitteleinsatzes, was sich negativ auf die Umwelt und die Biodiversität auswirke. Zwischen der Produktionssteigerung und der politisch geforderten Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes bestünden daher einige Zielkonflikte. Für nachhaltige Lösungen brauche es deshalb förderliche Rahmenbedingungen und flexible Marktlösungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, die ökonomische, ökologische und soziale Aspekte in Einklang bringen.

Pflanzenzüchtung als tragender Pfeiler einer nachhaltigen Landwirtschaft

Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen klassischer und moderner Pflanzenzüchtung zeigte uns Bruno Studer, Professor für Molekulare Pflanzenzüchtung an der ETH Zürich, in seinem anschliessenden Vortrag auf. Mit anschaulichen Beispielen stellte er das Genome-Editing, z.B. durch die Crisp-Cas-Technologie, als vielversprechendes Werkzeug vor, um die Grenzen der klassischen Züchtung zu überwinden und nachhaltige Lösungen für den Pflanzenschutz zu ermöglichen. Diese Technologien ermöglichen nicht nur den gezielten Einbau von Genen, die eine Apfelsorte gegen eine Krankheit oder einen Schädling resistenter machen. Zusätzlich können auch Anfälligkeitsfaktoren ausgeschaltet werden. Diese Kombination kann zu einer «dauerhaften» Resistenz führen.

Unsere Erkenntnisse aus den Gruppendiskussionen

Im Anschluss an die Impulsreferate wurden an vier Tischen Fragen zu den Vorträgen diskutiert.

Aus diesen lebhaften Diskussionen haben wir einige Punkte mitgenommen:

  • Entwicklungen in der Praxis: Welche Kriterien sind für die Produzent:innen bei der Sortenwahl in Zukunft besonders relevant:
    • Wirtschaftlichkeit: Marktzutritt muss gewährleistet sein und es muss eine Nachfrage bestehen.
    • Gutes Shelf-Life (Lagerfähigkeit)
    • Robustheit gegenüber Trockenheit & Krankheiten
    • Qualität in Bezug auf Konsum (ansprechende Optik & «guter» Geschmack (knackig, leicht süsslich))
    • Mehrkosten sollten in Grenzen gehalten werden.
  • Politische Rahmenbedingungen und Verantwortung der Privatwirtschaft:
    • Status Quo hinterfragen
    • Offenheit gegenüber Technologie wichtig
    • Aufeinander abgestimmte politische Instrumente gefragt
    • Zielerreichung belohnen statt Massnahmen vorschreiben (und Verbote)
    • Grenzschutz muss zwingend erhalten bleiben
    • True Cost bzw. Internalisierung externen Kosten
  • Chancen & Risiken neuer Züchtungsmethoden:
    • Klassische und neue Methoden sollen nicht gegeneinander ausgespielt werden
    • Gene können in etablierte Sorten integriert werden
    • machen eine Steigerung der Resilienz möglich
    • Zeit als limitierender Faktor: Zucht mit neuen Technologien geht viel schneller
    • Es braucht viel Sensibilisierung, um vom Stigma «GVO» wegzukommen
    • Passende Rahmenbedingung und sozioökonomische Faktoren wichtig
  • Konsument:innen: Akzeptanz und Verhalten:
    • Positive Kommunikation elementar
    • Gegenüberstellung von Nutzen & Gefahren
    • Ehrlichkeit & Transparenz sehr wichtig
    • Kommunikation ist alles, aber schwierig 

Follow-Up Veranstaltung

Geplant war auch eine Präsentation von Angela Bearth, der HF Partners GmbH, über Einflussfaktoren auf das Konsumentenverhalten und die Akzeptanz von Innovationen und Technologien im Lebensmittelsektor. Sie musste sich leider kurzfristig entschuldigen, wird ihre Präsentation aber am 29. Januar 2025 online nachholen. Melde dich an

Quelle Bilder: Martijn Sonnevelt, Stefanie Manas